§ 23 Abs. 1a StVO: Längst mehr als ein bloßes „Handyverbot“
Bereits Ende 2017 hat der Gesetzgeber mit einer Gesetzesänderung auf die zunehmende Technisierung des Alltags reagiert und den bislang vor allem als „Handyverbot“ bekannten § 23 Abs. 1a StVO grundlegend reformiert. Seitdem ist nicht mehr nur das „Handy am Steuer“ strafbar, sondern die Nutzung einer Vielzahl weiterer Geräte. Der folgende Beitrag soll einen kurzen Überblick hierzu verschaffen. Fakt ist: Wer eines der betreffenden Geräte am Steuer benutzt, dem drohen im Einzelfall Geldbußen von bis zu 100,00 € sowie ein Punkt im Fahreignungsregister in Flensburg.
Schon ein Überfliegen des § 23 Abs. 1a StVO verschafft einen ersten Eindruck vom Umfang der Neuregelung:
„(1a) 1Wer ein Fahrzeug führt, darf ein elektronisches Gerät, das der Kommunikation, Information oder Organisation dient oder zu dienen bestimmt ist, nur benutzen, wenn
- hierfür das Gerät weder aufgenommen noch gehalten wird und
- entweder
- nur eine Sprachsteuerung und Vorlesefunktion genutzt wird oder
- zur Bedienung und Nutzung des Gerätes nur eine kurze, den Straßen-, Verkehrs-, Sicht- und Wetterverhältnissen angepasste Blickzuwendung zum Gerät bei gleichzeitig entsprechender Blickabwendung vom Verkehrsgeschehen erfolgt oder erforderlich ist.
2Geräte im Sinne des Satzes 1 sind auch Geräte der Unterhaltungselektronik oder Geräte zur Ortsbestimmung, insbesondere Mobiltelefone oder Autotelefone, Berührungsbildschirme, tragbare Flachrechner, Navigationsgeräte, Fernseher oder Abspielgeräte mit Videofunktion oder Audiorekorder.
[…]“
Tatbestandlich handeln kann allein der Fahrzeugführer. Typischerweise nimmt das Fahrzeug bei Begehung der Ordnungswidrigkeit unmittelbar am Verkehrsgeschehen teil. Entsprechend wird in § 23 Abs. 1b S. 1 Nr. 1 StVO eine Ausnahme von der Tatbestandsverwirklichung gemacht für
„ein stehendes Fahrzeug, […] wenn der Motor vollständig ausgeschaltet ist“.
Welche Geräte von § 23 Abs. 1a StVO erfasst sind, wird nicht abschließend genannt – bei den in Satz 2 aufgeführten Geräten handelt es sich lediglich um Beispiele. Demnach sind zahlreiche weitere Geräte denkbar. So hat jüngst das Oberlandesgericht Hamm dem Bundesgerichtshof die Frage vorgelegt, ob ein reiner (elektronischer) Taschenrechner von § 23 Abs. 1a StVO erfasst ist. Ein anderes Oberlandesgericht hatte diese Frage zuvor bereits positiv entschieden und damit ein Urteil des Amtsgerichts Helmstedt bestätigt. Dieses hatte einen Autofahrer zu einer Geldbuße von 100,00 € verurteilt, weil er, während er als Führer eines Sattelzuges die Autobahn befuhr, mit einem in der rechten Hand gehaltenen elektronischen Taschenrechner das Gewicht der Ladung berechnete. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs steht noch aus. Ergänzend sei auf den Verbotstatbestand des § 23 Abs. 1a S. 3 StVO (insb. Videobrillen) sowie die Erlaubnis- und Ausnahmetatbestände des Abs. 1a S. 4 und Abs. 1b hingewiesen.
Wichtigstes Merkmal der Norm ist, dass das betreffende Gerät auch „benutzt“ werden muss. Das bedeutet, dass neben dem bloßen Aufnehmen und Halten des Gerätes auch ein Zusammenhang mit dessen Bedienfunktion hergestellt sein muss. Inwiefern ein „Benutzen“ gegeben ist, ist regelmäßig eine Frage des Einzelfalles. In den folgenden Beispielsfällen haben Gerichte die Benutzung bejaht:
- „Das Betätigen einer Funktionstaste eines Mobiltelefons stellt auch dann ein tatbestandliches „Benutzen“ im Sinne des § 23 Abs. 1a StVO dar, wenn es nicht unmittelbar der Kommunikation dient, sondern klären soll, ob das Gerät noch funktioniert.“ (KG Berlin, Beschluss v. 14.05.2019, Az. 3 Ws (B) 160/19)
- „Als [der Betroffene] vor einer rot zeigenden Lichtzeichenanlage zum Stehen kam, benutzte er sein Mobiltelefon, indem er es in die Hand nahm, in seinem Sichtfeld vor das Lenkrad hielt und auf das Display schaute.“ (OLG Oldenburg, Beschluss v. 17.04.2019, Az. 2 Ss (OWi) 102/19)
- „Eine Benutzung des Gerätes setzt indessen nicht voraus, dass etwa eine Verbindung zum Mobilfunknetz zustande kommt, vielmehr ist eine solche bereits bei Ablesen der Uhrzeit oder des Ladezustandes […] gegeben.“ (KG Berlin, Beschluss v. 14.08.2019, Az. 3 Ws (B) 273/19, 162 Ss 112/19)
Eine differenzierte Betrachtung nimmt das Oberlandesgericht Hamm bei der Frage vor, ob das Verbinden eines Mobiltelefons mit einer „Powerbank“ unter § 23 Abs. 1a StVO fällt. Im Ergebnis wurde danach unterschieden, ob lediglich das Ladekabel berührt oder auch das Mobiltelefon gehalten/aufgenommen wird:
- „Weder eine Powerbank noch ein Ladekabel sind isoliert betrachtet jeweils ein elektronisches Gerät i.S.d. § 23 Abs. 1a StVO. […] [Es] ist nach Ansicht des Senats zur Tatbestandsverwirklichung erforderlich, dass das […] elektronische Gerät i.S.d. Vorschrift als solches aufgenommen oder gehalten wird – sei es auch nur, dass es mittelbar über das Ladekabel bewegt wird (z.B. Mobiltelefon hängt ohne Befestigung/Ablage in einer Vorrichtung frei am Ladekabel). Davon abzugrenzen und als nicht tatbestandsmäßig erachtet der Senat den Fall, dass das Mobiltelefon als solches nicht aufgenommen oder gehalten wird, sondern (beispielsweise) vor Fahrtbeginn mit eingestecktem Ladekabel in einer Halterung am Armaturenbrett o.ä. angebracht wurde und während des Führens des Fahrzeugs ausschließlich das Ladekabel angefasst, bewegt und mit einer Powerbank verbunden wird.“ (OLG Hamm, Beschluss v. 28.05.2019, Az. 4 RBs 92/19)
Von erheblicher Bedeutung ist zuletzt § 23 Abs.1a S.1 Nr.2b StVO. Verboten sind sämtliche Nutzungen, die eine zu lange Blickzuwendung erfordern. Dies kann bereits beim Eintippen von Ortsdaten in das Navigationssystem des Autos der Fall sein. Wann eine – noch erlaubte – „kurze Blickzuwendung“ gegeben ist, wird durch die Rechtsprechung herauszuarbeiten sein. Stets handelt es sich hierbei jedoch um eine Frage des Einzelfalles.
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Weiterführend zum Thema: Will in NJW 2019, 1633 ff.