„Notfall-Vollmacht“: Seit 1. Januar 2023 darf der Ehegatte bei Behandlungen entscheiden können – Gesetz passiert den Bundestag – und nun auch den Bundesrat
Was lange währt, wird am Ende doch noch gut! Nach den Jahren des Stillstands, weil der Gesetzentwurf zwar den Bundestag passierte, aber nicht den Bundesrat, hat die Ampel-Koalition neuen Anlauf genommen und eine echte Änderung der Vorsorgevollmacht der Ehegatten untereinander auf den Weg gebracht. Grundsätzlich galt bei dringender ärztlicher Hilfe, dass der Ehegatte bzw. Lebenspartner nicht in die medizinische Behandlung einwilligen kann und auch kein Recht auf Auskunft gegenüber dem Arzt hat, sofern er nicht Inhaber einer Vorsorgevollmacht ist. In der Praxis musste daher der Arzt entweder einen mutmaßlichen Willen des Patienten ermitteln oder aber die Bestellung eines Betreuers abwarten. Meist bestellte das Gericht dann – erwartungsgemäß und mit Verzögerung – den Ehepartner oder Lebenspartner zum Betreuer. Die Möglichkeiten der gesetzlichen Vertretung von Ehegatten und Lebenspartnern waren ohne Betreuerbestellung gem. § 1357 BGB auf Geschäfte des täglichen Bedarfs beschränkt, was für die jeweiligen Partner oft überraschend ist, genauso wie die Tatsache, dass sie weder bei der Behandlung Mitsprache haben noch ein Recht auf Auskunft. Für Ärzte ergibt sich dabei immer das Problem, dass sie bei einer eingeforderten Auskunft immer in einer rechtlichen Gefahrenzone agieren, wenn sie dem verständlichen Wunsch der Ehepartner auf Information über den Gesundheitszustand nachgeben. Dies hat sich zum 1.1.2023 geändert: der Ehegatte hat kraft Gesetzes eine zeitlich befristete Notfall-Vollmacht.
Die Neuregelung räumt dem Ehegatten oder Lebenspartner (nach LPartG) eine automatische „Notfall-Vollmacht“ ein, sofern der betroffene Partner nicht selbst in der Lage ist, in die Behandlung einzuwilligen oder die Entbindung von der Schweigepflicht zu erteilen bzw. Angelegenheiten mit den Sozialversicherungsträgern zu regeln. So soll daher der Ehegatte oder Lebenspartner die Behandlung mit dem Arzt abstimmen können und die Einwilligung in den Eingriff erteilen. Diese „Notfall-Vollmacht“ soll enden, soweit nachfolgend ein Betreuer bestellt wurde oder 6 Monate abgelaufen sind. Voraussetzung für die „Notfall-Vollmacht“ soll sein, dass die Ehegatten oder Lebenspartner nicht getrennt leben, kein Betreuer oder Vorsorgebevollmächtigter bestellt wurde oder der betroffene Partner vorher nicht ausdrücklich der „Notfall-Vollmacht“ widersprochen hat.
Die frühere Verknüpfung mit dem Recht auf Fürsorge der finanziellen Angelegenheiten (noch im Entwurf von 2018 enthalten) ist nun aber weggefallen. Hierfür bedarf es noch immer einer Betreuerbestellung oder Vorsorgevollmacht.
In der Praxis wird wohl nichts daran vorbei führen, eine entsprechende Vorsorge durch Vollmachten sowie ausdrücklich und schriftlich niedergelegten Widersprüchen zu treffen, denn es handelt sich ausdrücklich um eine zeitlich befristete Notfallvertretung. Hilfe bei der Anfertigung, Auslegung und Formulierung von Vorsorgevollmachten und Patientenverfügungen und bei der Durchsetzung des Willens des Patienten gibt Ihnen der Fachanwalt für Medizinrecht Frank J. Schäker.