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RA Patricia Helm Verkehrsrecht Ordnungswidrigkeiten

Halterhaftung bei Parkverstößen auf Privatparkplätzen

Eine generelle Halterhaftung für Verkehrsverstöße ist dem deutschen Recht fremd – es gilt die Fahrerhaftung. Parkverstöße auf privatem Grund sind im Einzelfall zivilrechtlich durch den Parkplatzbetreiber zu ahnden.  Und dieser muss grundsätzlich sämtliche Tatsachen, die zur Begründung seines Anspruches notwendig sind, selbst darlegen und beweisen – auch die Fahrzeugführereigenschaft der Person, gegenüber der er Ansprüche geltend macht. Der Fahrzeughalter kann sich gegenüber dem Parkplatzbetreiber leicht durch die Angabe entlasten, dass er nicht gefahren sei. Privatpersonen ist es dann im Regelfall nicht möglich, den Verantwortlichen für Verstöße zu ermitteln und zu belangen – und auch der Halter kann nicht in Anspruch genommen werden. Eine erst wenige Wochen alte Entscheidung des Bundesgerichtshofes (BGH) kann dies ändern. Der BGH hatte sich mit dem Thema der Halterhaftung bei Parkverstößen auf Privatparkplätzen auseinander zu setzen. Es ging um die Frage, ob der Betreiber eines privaten Parkplatzes bei einem Verstoß gegen die Parkordnung gegen den Fahrzeughalter vorgehen kann – das Amts- und Landgericht hatten dies grundsätzlich abgelehnt. Anders der BGH, der zu Lasten der Fahrzeughalterin eine sog. „sekundäre Darlegungslast“ annahm und das Urteil zur erneuten Entscheidung an das Landgericht zurückverwies.

Der zugrundeliegende Sachverhalt

Der zugrundeliegende Sachverhalt stellt sich – vereinfacht – wie folgt dar: Bei der Klägerin handelte es sich um ein Unternehmen, welches privaten Parkraum bewirtschaftet, so unter anderem auch Krankenhausparkplätze. Auf den Parkplätzen sind jeweils gut sichtbar Schilder aufgestellt, wonach das Parken mit Parkscheibe unter Beachtung einer Höchstparkdauer kostenlos ist. Zudem gibt es Mitarbeiter-Parkplätze, die gesondert gekennzeichnet sind. Auf Schildern findet sich der Hinweis, dass bei widerrechtlich abgestellten Fahrzeugen ein „erhöhtes Parkentgelt“ von 30 € zu zahlen ist. Bei der Beklagten handelte es sich um die Halterin eines PKW, welcher unter Überschreitung der Höchstparkdauer auf einem der Krankenhausparkplätze abgestellt war sowie in zwei Fällen unberechtigt auf Mitarbeiterparkplätzen stand. Mit der Klage sollte das „erhöhte Parkentgelt“ eingefordert werden. Die beklagte Halterin gab an, an den betreffenden Tagen nicht Fahrzeugführerin gewesen zu sein – das „erhöhte Parkentgelt“ könne indes nur gegenüber dem Fahrzeugführer erhoben werden. Sowohl das Amtsgericht als auch das Landgericht Arnsberg wiesen die Klage ab.

Grundzüge des Vertragsrechts im Kontext der Nutzung von Privatparkplätzen

Um diese gerichtlichen Entscheidungen nachvollziehen zu können, bedarf es zunächst einer kurzen Vergegenwärtigung der Grundzüge des Vertragsrechts im Kontext der Nutzung von Privatparkplätzen: Ein Vertrag kommt regelmäßig zustande durch Angebot und Annahme. Im hiesigen Fall ist das Angebot die Bereitstellung des Parkplatzes, die Annahme liegt in dessen Nutzung. Da die Nutzung jedenfalls für den Zeitraum der Höchstparkdauer mit Parkscheibe kostenlos erfolgt, handelt es sich nach dem Gesetz um einen Leihvertrag. Rechtlich kommt dieser Vertrag zustande zwischen dem Parkplatznutzer, mithin dem Fahrer, und dem Betreiber– der Fahrzeughalter ist mithin nicht in den Vertrag involviert. Die weiteren vertraglichen Details wie Höchstparkdauer, Nutzung der Parkscheibe, Nutzung von Mitarbeiterparkplätzen nur mit Berechtigung, erhöhtes Parkentgelt von 30 € bei widerrechtlicher Nutzung, werden als allgemeine Geschäftsbedingungen Bestandteil des Vertrages zwischen Fahrer und Parkplatzbetreiber. Vor diesem Hintergrund wird deutlich, warum grundsätzlich der Fahrzeugführer als Anspruchsgegner in Betracht kommt, wenn es um Verstöße gegen die Parkplatzordnung geht. Wir über das KfZ-Kennzeichen der Fahrzeughalter ermittelt und in Anspruch genommen, so kann er – wie im hiesigen Fall – bestreiten, an den betreffenden Tagen gefahren zu sein. Da ihn gegenüber dem Parkplatzbetreiber keine Pflicht zur Auskunft über den Fahrer trifft, ist er durch dieses sog. „pauschale“ oder „einfache Bestreiten“ entlastet und von der Inanspruchnahme zur Zahlung frei – so jedenfalls das Amts- und Landgericht Arnsberg.

Entscheidungen des Amtsgerichtes und des Landgerichtes Arnsberg

In den Entscheidungen des Amtsgerichtes und des Landgerichtes Arnsberg wird zur Begründung ausgeführt:

„Als derjenige, der sich eines Zahlungsanspruches berühmt, hat die Klägerin nach den allgemeinen Regeln zu beweisen, dass ein Vertrag mit der Beklagten zustande gekommen ist. Sie muss folglich beweisen, dass die Beklagte zu den fraglichen Zeitpunkten Führerin der oben genannten PKW gewesen ist oder zumindest Beifahrerin.“       

LG Arnsberg, Urteil vom 16.01.2019 Az. 3 S 110/18

Die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze der sogenannten „sekundären Darlegungslast“ seien vorliegend nicht anwendbar:

„Die Grundsätze der sekundären Darlegungslast gelten für Situationen, in denen derjenige, der einen Anspruch geltend macht, keine nähere Kenntnis der maßgeblichen Umstände und keine weitere Möglichkeit zur Sachverhaltsaufklärung hat, während dem Anspruchsgegner nähere Angaben ohne weiteres möglich und zumutbar sind. […] Dies ist vorliegend nicht erkennbar. Es obliegt der Klägerin ohnehin, durch Personal bzw. technische Maßnahmen festzustellen, welche Fahrzeuge mit welchem Kennzeichen auf den von ihr bewirtschafteten Parkplätzen abgestellt werden. In gleicher Weise ist es für die Klägerin dann grundsätzlich auch möglich festzustellen, wer der Fahrer des Fahrzeuges ist. Dies hat ggf. spätestens bei der Rückkehr zum Fahrzeug zu geschehen. Das Gericht verkennt nicht, dass dies mit einem Mehraufwand für die Klägerin verbunden sein mag. Grundsätzlich stehen ihr aber ausreichende und zumutbare Erkenntnismöglichkeiten zur Verfügung, um festzustellen, ob die Beklagte ihr Fahrzeug auf dem Parkplatz abgestellt hat.“

AG Arnsberg, Urteil vom 01.08.2018 Az. 12 C 75/18

Dagegen BGH: Den Fahrzeughalter treffe eine „sekundäre Darlegungslast“

An dieser Stelle fallen die Auffassungen der Instanzgerichte und des BGH auseinander. Denn der BGH geht im hiesigen Fall davon aus, dass den Fahrzeughalter die „sekundäre Darlegungslast“ treffe:

„Denn beim Parken auf einem privaten Parkplatz handele es sich um ein anonymes Massengeschäft, bei dem der Parkplatz nicht einem bestimmten Vertragspartner, sondern der Allgemeinheit zur – regelmäßig kurzzeitigen – Nutzung angeboten werde. […] Dass der Parkplatzbetreiber das Abstellen des Fahrzeugs nicht von einer vorherigen Identifizierung des Fahrzeugführers abhängig mache, sei Bestandteil dieses Massengeschäfts und liege im Interesse der auf einen einfachen Zugang auch zu privaten Parkplätzen angewiesenen Verkehrsöffentlichkeit. Er habe keine zumutbare Möglichkeit, die Identität seines Vertragspartners bei Vorliegen eines unberechtigten Abstellvorgangs […] im Nachhinein in Erfahrung zu bringen. Selbst wenn er – mittels gesteigerten Personalaufwandes – den Fahrer bei dessen Rückkehr zum Fahrzeug anhalten würde, könnte er dessen Personalien ebenso wenig ohne weiteres feststellen wie auf der Grundlage etwa von Videoaufnahmen. Jedenfalls von demjenigen, der Privatparkplätze unentgeltlich zur Verfügung stelle, könne auch nicht die Errichtung technischer Anlagen […] gefordert werden, die letztlich allein der Verhütung des Missbrauchs dieses Angebots dienen.

Im Gegensatz dazu sei es dem Halter, der unter Beachtung seiner prozessualen Wahrheitspflicht bestreitet, selbst gefahren zu sein, regelmäßig selbst mit einem gewissen zeitlichen Abstand ohne weiteres möglich und zumutbar, jedenfalls die Personen zu benennen, die im fraglichen Zeitraum die Möglichkeit hatten, das Fahrzeug als Fahrer zu nutzen. Denn er habe es regelmäßig in der Hand, wem er sein Fahrzeug überlasse.“

Mitteilung der Pressestelle des BGH Nr. 164/2019 zum Urteil vom 18.12.2019 Az. XII ZR 13/19

Risiko auf Halterseite

Die Überlassung des KfZ an andere erfolgt meist aus Gefälligkeit – und kann nun im Einzelfall für den Halter teuer werden, wenn er den Fahrer nicht zu benennen vermag. Damit besteht regelmäßig das Risiko auf Halterseite, für ein Fehlverhalten Dritter in Anspruch genommen zu werden. In verkehrsrechtlichen Angelegenheiten berät und vertritt Sie Rechtsanwältin Patricia Helm.