Halterhaftung nach KfZ-Unfall: Kurzschluss an in der Werkstatt abgestelltem PkW führt zu Hausbrand
Jüngst hat der BGH eine Gerichtsentscheidung veröffentlicht, die die Schäden, die auf einen KfZ-Unfall zurückzuführen sind, in eine bislang kaum beachtete Dimension rücken dürfte: Nach einem Unfall wurde der beschädigte PkW in eine Werkstatt zur Reparatur verbracht. Ein Mitarbeiter der Werkstatt stellte das Auto in der Garage ab, unterließ es jedoch, die Batterien abzuklemmen. Zwei Tage nach dem Unfall kam es in der Nacht zu einem Kurzschluss. Dieser Kurzschluss löste einen Hausbrand aus, der neben der KfZ-Werkstatt auch das Nachbarhaus erfasste. Haften muss der Fahrzeughalter – den Werkstattmitarbeiter trifft lediglich Mitverschulden.
Der Entscheidung liegt der folgende (zum Zwecke der besseren Verständlichkeit vereinfacht dargestellte) Sachverhalt zugrunde:
Klägerin ist der Gebäude- und Hausratversicherer des Werkstattinhabers J. Beklagte sind jeweils die Versicherungen der Unfallbeteiligten A und B. B traf die alleinige Schuld an dem Unfallgeschehen. Das Auto des A war schwer beschädigt, weshalb A veranlasste, es in die KfZ-Werkstatt des J zu verbringen. J stellte den Wagen zwar in der Werkstattgarage ab, die Batterien indes klemmte er nicht ab. Etwa eineinhalb Tage später kam es in der Nacht zu einem Kurzschluss am Leitungssatz (der zum Kühlerlüftermotor führte) des abgestellten PkW. Dieser Kurzschluss verursachte einen großflächigen unkontrollierten Brand in der Werkstattgarage, welcher auch auf das Nachbarhaus übergriff und erhebliche Schäden verursachte. Das Gutachten eines privaten Sachverständigen ergab, dass der Kurzschluss auf den vorangegangenen Unfallschaden zurückzuführen war.
Zur Begründung seiner Entscheidung trägt der BGH zusammengefasst Folgendes vor:
Die Voraussetzung dafür, dass überhaupt eine Haftung des Halters eingreift, ist gemäß § 7 Abs. 1 StVG, dass sich der Schaden „bei Betrieb eines Kraftfahrzeugs“ereignet hat.
Das Merkmal „bei Betrieb“ bedarf einer genauen Betrachtung. Typischerweise befindet sich das Fahrzeug im Betrieb, wenn es fährt. Doch die Nutzung von Motorkraft ist nicht zwingende Voraussetzung. Erforderlich ist vielmehr, dass das KfZ in typischer Weise gefahrerhöhend auf den öffentlichen Verkehrsraum eingewirkt hat. Dies ist erst dann nicht mehr der Fall, wenn das KfZ gleich jedem anderen Gegenstand im Raum wirkt.
Daneben bedarf es eines sogenannten „Schutzzweck“- oder „Zurechnungszusammenhangs“. Das bedeutet, dass sich der konkrete Schaden auch in der spezifischen Gefahr, die von dem KfZ ausgeht, verwirklicht haben muss.
Der BGH legt die Norm des § 7 StVG in seiner ständigen Rechtsprechung weit aus. Nach ihrem Schutzzweck seien
„alle durch den Kraftfahrzeugverkehr beeinflussten Schadensabläufe erfass[t]. Ein Schaden ist demgemäß bereits dann bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs entstanden, […] wenn […] das Schadensgeschehen durch das Kraftfahrzeug (mit)geprägt worden ist.“
Maßgeblich komme es darauf an,
„dass die Schadensursache in einem nahen örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebseinrichtung des Kraftfahrzeugs steht.“
Der Sachverständige hatte im vorliegenden Fall festgestellt, dass der Brand durch einen Kurzschluss an dem PkW herbeigeführt wurde. Der Kurzschluss wiederum war auf das vorangegangene Unfallgeschehen zurückzuführen, wobei erhebliche mechanische Kräfte auf die elektrischen Leiter im Frontbereich des beschädigten PkW wirkten. Der BGH führt hierzu aus:
„Die schadensursächliche Gefahrenlage wurde mithin unmittelbar durch den Unfall und bei dem Betrieb der am Unfall beteiligten Kraftfahrzeuge geschaffen. Dass der im Streitfall geltend gemachte (Brand-)Folgeschaden sich erst nach einer zeitlichen Verzögerung von eineinhalb Tagen realisiert hat, vermag daran nichts zu ändern, da die einmal geschaffene Gefahrenlage fort- und nachwirkte.“
An dieser Betrachtungsweise vermöge auch die Tatsache, dass es J in sorgfaltspflichtwidriger Weise unterlassen hatte, die Batterien abzuklemmen, nichts zu ändern. Dies sei erst im Zusammenhang mit der Frage nach einem Mitverschulden des J relevant.
Der Halter sei nicht bereits deshalb von seiner Haftung frei, weil ein Dritter (grob) fahrlässig in das Geschehen eingegriffen habe. Dem Schädiger würden auch Fehler der Person zugerechnet, die der Geschädigte zur Abwicklung oder Beseitigung des Schadens hinzuzieht. Hier wird im vorliegenden Fall der Zusammenhang auch zu der Person des Unfallverursachers deutlich. Der BGH stellt fest:
„Der Schädiger kann sich daher regelmäßig nicht mit dem Vorbringen entlasten, ein anderer habe die von ihm geschaffene Gefahrenlage pflichtwidrig nicht beseitigt.“
Der Zurechnungszusammenhang zwischen der Erstschädigung (dem Unfall) und dem Schaden entfalle ausnahmsweise erst dann, wenn der Sorgfaltspflichtverstoß des Dritten von ungewöhnlich hohem Ausmaß sei.
Das Dazwischentreten des J (Nichtabklemmen der Batterien) wurde auf der Ebene des Mitverschuldens mit einem Mitverursachungsbeitrag von 40 % berücksichtigt. Die Beklagten zu 1 und 2 wurden gesamtschuldnerisch zur Schadensersatzzahlung verurteilt. Welchen Betrag hierbei die Beklagte zu 1 und welchen die Beklagte zu 2 zu tragen hat, ist Gegenstand des Verfahrens um die Regulierung der Unfallschäden und war hier nicht zu entscheiden.
BGH, Urteil vom 26.03.2019, Az. VI ZR 236/18
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