„Notfall-Vollmacht“: Ab 1. Juli 2018 soll der Ehegatte bei Behandlungen entscheiden können – Gesetz passiert den Bundestag
Grundsätzlich gilt bei dringender ärztlicher Hilfe, dass der Ehegatte bzw. Lebenspartner nicht in die medizinische Behandlung einwilligen kann und auch kein Recht auf Auskunft gegenüber dem Arzt hat, sofern er nicht Inhaber einer Vorsorgevollmacht ist. In der Praxis musste daher der Arzt entweder einen mutmaßlichen Willen des Patienten ermitteln oder aber die Bestellung eines Betreuers abwarten. Meist bestellte das Gericht dann den Ehepartner oder Lebenspartner zum Betreuer. Die Möglichkeiten der gesetzlichen Vertretung von Ehegatten und Lebenspartnern waren gem. § 1357 BGB auf Geschäfte des täglichen Bedarfs beschränkt, was für die jeweiligen Partner oft überraschend ist, genauso wie die Tatsache, dass sie weder bei der Behandlung Mitsprache haben noch ein Recht auf Auskunft. Für Ärzte ergibt sich dabei immer das Problem, dass sie bei einer eingeforderten Auskunft immer in einer rechtlichen Gefahrenzone agieren, wenn sie dem verständlichen Wunsch der Ehepartner auf Information über den Gesundheitszustand nachgeben. Dies soll sich mit dem Gesetzentwurf 18/10485 des Bundesrates „Zur Verbesserung der Beistandsmöglichkeiten unter Ehegatten und Lebenspartnern in Angelegenheiten der Gesundheitssorge und in Fürsorgeangelegenheiten“ ab dem 1. Juli 2018 ändern: die Einführung einer Notfall-Vollmacht.
Die angestrebte Neuregelung räumt dem Ehegatten oder Lebenspartner (nach LPartG) eine automatische „Notfall-Vollmacht“ ein, sofern der betroffene Partner nicht selbst in der Lage ist, in die Behandlung einzuwilligen oder die Entbindung von der Schweigepflicht zu erteilen. Zukünftig soll daher der Ehegatte oder Lebenspartner die Behandlung mit dem Arzt abstimmen können und die Einwilligung in den Eingriff erteilen. Diese „Notfall-Vollmacht“ soll enden, soweit nachfolgend ein Betreuer bestellt wurde. Voraussetzung für die „Notfall-Vollmacht“ soll sein, dass die Ehegatten oder Lebenspartner nicht getrennt leben, kein Betreuer oder Vorsorgebevollmächtigter bestellt wurde oder der betroffene Partner vorher nicht ausdrücklich der „Notfall-Vollmacht“ widersprochen hat.
Der Gesetzgebungsvorschlag wurde durch den Bundesrat eingebracht, der das automatische Vertretungsrecht gleichzeitig mit dem Recht auf Fürsorge der finanziellen Angelegenheiten verknüpfte. Der Bundesrat verweist in der Begründung zum Gesetzentwurf auf eine Umfrage, nach der 80 % der Befragten glauben, sie hätten im Notfall schon jetzt ein solches Vertretungsrecht. Man wolle damit einerseits das Recht den Erwartungen des täglichen Lebens anpassen, andererseits die Gerichte entlasten und Rechtssicherheit für die Behandler schaffen. Der Bundestag hat dagegen den verabschiedeten Gesetzentwurf auf die Notfallkompetenz für medizinische Behandlungen beschränkt, weil finanzielle Entscheidungen in aller Regel nicht in einer solchen Dringlichkeit getroffen werden müssten. Hierüber solle auch zukünftig das Betreuungsgericht entscheiden. Wie der Bundesrat damit umgehen wird, bleibt noch abzuwarten.
Eine solche „Vollmachtsvermutung“ löst aber mitnichten das bestehende Problem, da der behandelnde Arzt kaum prüfen kann, ob der Betroffene einen ausdrücklichen Widerspruch darüber geäußert hat. Ob eine Betreuung besteht, kann er gleichfalls nicht prüfen, denn ein offizielles Verzeichnis gibt es darüber nicht. Auch der Hinweis auf das Vorsorgeregister geht fehl, denn die wenigsten Vorsorgevollmachten sind dort registriert. Außerdem kann der Arzt in der Notfallsituation nicht noch die Abfrage bei einem Register vornehmen. Allerdings wird dem Arzt wohl das Rechtsinstitut der Anscheinsvollmacht zur Seite stehen, strafrechtlich wird er sich wohl auf Rechtfertigungsgründe berufen können.
In der Praxis wird wohl nichts daran vorbei führen, eine entsprechende Vorsorge durch Vollmachten sowie ausdrücklich und schriftlich niedergelegten Widersprüchen zu treffen. Hilfe bei der Anfertigung, Auslegung und Formulierung von Vorsorgevollmachten und Patientenverfügungen und bei der Durchsetzung des Willens des Patienten gibt Ihnen der Fachanwalt für Medizinrecht Frank J. Schäker.
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