Wir sind für Sie da!

Bußgeldbescheide und Fahrverbote unwirksam?

Autofahrer aufgepasst! Der neue Bußgeldkatalog, welcher unter anderem härtere Sanktionen bei Geschwindigkeitsverstößen vorsieht, ist rechtsfehlerhaft. In der Konsequenz stellen sich einige Fragen: Sind alle seit dem 28.04.2020 erlassenen Bußgeldbescheide und Fahrverbote unwirksam? Und wie sollten sich Betroffene nun verhalten? Der folgende Beitrag soll einen kurzen Überblick über die Problematik und das richtige Vorgehen verschaffen.

Fehler in der Eingangsformel – mit Folgen

Bei Erlass der Neuregelung wurde gegen das sogenannte „Zitiergebot“ des Grundgesetzes (Art. 80 Absatz 1 Satz 3 GG) verstoßen. Dieses bestimmt, dass in einer jeden Rechtsverordnung – so auch der StVO-Novelle – die Rechtsgrundlage für deren Erlass zu benennen ist. Im Falle der Rechtsgrundlage für die Anordnung von Fahrverboten (§26a Abs. 1 Nr. 3 StVG) ist dies nicht geschehen. Ein kleiner Fehler in der Eingangsformel – mit Folgen. Denn ein Verstoß gegen das Zitiergebot führt grundsätzlich zur Nichtigkeit der betreffenden Verordnung.

Konsequenzen für die Praxis

Die hieraus resultierenden Konsequenzen für die Praxis führen bei Autofahrern derzeit zu Unsicherheiten:

  • Sind nur die Anordnungen von Fahrverboten nach dem 28.04.2020 unwirksam oder auch Bußgelder?
  • Wonach richtet sich derzeit die Sanktion für einen Verkehrsverstoß?
  • Wie verhalte ich mich, wenn ich wegen einer nach dem 28.04.2020 begangenen Verkehrsordnungswidrigkeit bereits belangt wurde oder noch belangt werden soll?

Zunächst gilt, dass ein Verstoß gegen das Zitiergebot so gravierend ist, dass er zu einer Gesamtnichtigkeit der betreffenden Regelung führt. Demnach sind sowohl Bußgeldbescheide als auch Fahrverbotsanordnungen, die nach dem 28.04.2020 erlassen wurden, unwirksam. 

Die meisten Bundesländer haben inzwischen den neuen Bußgeldkatalog außer Kraft gesetzt und wenden wieder den alten Bußgeldkatalog an. Ob dies rechtlich zulässig ist, ist im Einzelfall zu prüfen.

Die richtige Verhaltensweise für Betroffene hängt davon ab, in welchem Stadium sich das Verfahren befindet:

  • Befindet sich das Verfahren noch am Anfang, kann bereits im Zuge der Anhörung Einfluss auf dessen weiteren Verlauf genommen werden.
  • Geht ein Bußgeldbescheid zu, so kann im Wege des Einspruchs zur Unwirksamkeit vorgetragen werden. Die Einspruchsfrist (14 Tage!) ist dringend zu beachten.
  • Ist die Einspruchsfrist bereits abgelaufen, so ist der Bußgeldbescheid rechtskräftig. Dann ist an Vollstreckungsaufschub oder ein Gnadengesuch zu denken.

Gern helfen wir Ihnen hier weiter. Unsere Verkehrsrechtlerin, Rechtsanwältin Patricia Helm, steht Ihnen tatkräftig zur Seite.

Schönheitsreparaturen in unrenovierten Wohnungen

Die Frage, wer für die Durchführung von Schönheitsreparaturen verantwortlich ist, führt nicht selten zu Konflikten zwischen Vermietern und Mietern. Für Schönheitsreparaturen in unrenovierten Wohnungen entschied der Bundesgerichtshof (BGH) unlängst, dass die Kosten hierfür von Vermieter und Mieter, im Regelfall jeweils zur Hälfte, zu tragen sind – selbst dann, wenn die Reparaturverpflichtung nicht wirksam auf den Mieter übertragen wurde.

Grundsatz: Schönheitsreparaturverpflichtung des Vermieters

Nach dem Gesetz gilt im Grundsatz, dass der Vermieter zur Durchführung von Schönheitsreparaturen verpflichtet ist. Er kann diese Verpflichtung jedoch auf den Mieter übertragen. Regelmäßig geschieht dies durch Schönheitsreparaturklauseln in Formularmietverträgen. Nicht selten kommt es vor, dass die Klausel im Einzelfall unwirksam ist. Grundsätzlich folgt aus der Unwirksamkeit von Schönheitsreparaturklauseln, dass die Reparaturverpflichtung dann beim Vermieter verbleibt.

Sonderfall unrenovierter Wohnraum

In den beiden Fällen, die dem BGH vorlagen, hatten die Mieter unrenovierte Wohnungen bezogen. Ein finanzieller Ausgleich hierfür wurde den Mietern nicht gezahlt und war vertraglich nicht vorgesehen. Aus diesem Grund war die im Mietvertrag vereinbarte Schönheitsreparaturklausel – Verpflichtung des Mieters zur Durchführung von Schönheitsreparaturen – unwirksam. Demnach hatte grundsätzlich der Vermieter die Schönheitsreparaturen durchzuführen.

Nach 14 bzw. 25 Jahren Mietzeit forderten die jeweiligen Mieter den Vermieter zur Durchführung von Tapezier- und Anstricharbeiten auf. Sie begründeten dies damit, dass sich der Zustand der Wohnungsdekoration im Laufe der Jahre verschlechtert habe; teils sahen sie diese Verschlechterungen sogar als Mietmängel an. Die Forderung nach einer Schönheitsreparatur geht jedoch mit folgendem Problem einher: Vertraglich übernommen wurde unrenovierter Wohnraum. Vertraglich geschuldet ist demnach ebenfalls „nur“ unrenovierter Wohnraum. Den Vermieter trifft daher lediglich eine Instandhaltungspflicht im Hinblick auf den vertraglich geschuldeten Zustand. Der Vermieter müsste mithin allenfalls den Zustand herstellen, den die Wohnung vor 14 bzw. 25 Jahren hatte. Dies dürfte indes weder praktikabel, noch wirtschaftlich sinnvoll sein. Sach- und interessengerecht erscheint vielmehr eine Renovierung der Wohnung. Hierdurch jedoch erhält ein Mieter, dem vertraglich „nur“ die unrenovierte Wohnung zusteht, eine renovierte Wohnung und wird damit besser gestellt, als der Mietvertrag es gebietet.

BGH: Angemessener Ausgleich

Um dieser Besserstellung des Mieters zu Lasten des Vermieters entgegenzuwirken, gebietet es nach Ansicht des BGH der gesetzliche Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB), dass die jeweiligen Interessen der Vertragsparteien angemessen in Ausgleich zu bringen sind. Demnach könne der Mieter zwar eine „frische“ Renovierung verlangen, habe sich hierfür jedoch an den erforderlichen Kosten zu beteiligen. Zumeist wird eine hälftige Kostenbeteiligung anzunehmen sein. Möglich ist, dass Konflikte im Hinblick auf Schönheitsreparaturverpflichtungen hierdurch lediglich auf die Ebene der Beteiligungsquote verlagert werden. Die Praxis wird dann entsprechend reagieren müssen.

Ihr Ansprechpartner im Mietrecht sind Rechtsanwältin Mandy Hawelka, Rechtsanwältin Patricia Helm und Rechtsanwalt Frank J. Schäker, Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht.

BGH, Urteile vom 08.07.2020, Az. VIII ZR 163/18 und VIII ZR 270/18Die entsprechende Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs finden Sie hier.

Geltung der Vorfahrtregel „rechts vor links“ auf Parkplätzen

Die Vorfahrtregel „rechts vor links“, gesetzlich verankert in § 8 Abs. 1 S.1 Straßenverkehrsordnung (StVO), ist jedem Fahrzeugführer ein Begriff. Doch gilt diese Regel uneingeschränkt auch auf Parkplätzen, welchen gerade nicht das typische Geschehen des fließenden Verkehrs innewohnt? Der folgende Beitrag soll unter Zugrundelegung der gängigen Rechtsprechung einen Überblick über die Geltung der Vorfahrtregel „rechts vor links“ auf Parkplätzen verschaffen.

Wann gilt auf Parkplätzen die StVO?

Zunächst stellt sich die Frage, wann überhaupt Regelungen der StVO wie „rechts vor links“ Geltung beanspruchen. Ohne Weiteres ist dies dort zu bejahen, wo bereits ein Schild auf die Geltung der StVO verweist. Doch auch, wo kein expliziter Hinweis vorhanden ist, kann die StVO zu beachten sein. Hierzu hat im Jahr 2011 der Bundesgerichtshof (BGH) ausgeführt:

„Die StVO regelt und lenkt den Verkehr auf öffentlichen Wegen und Plätzen. Öffentlich ist ein Verkehrsraum, wenn er entweder ausdrücklich oder mit stillschweigender Duldung des Verfügungsberechtigten für jedermann oder aber für eine allgemein bestimmte größere Personengruppe zur Benutzung zugelassen ist und auch so benutzt wird.“

So gilt beispielsweise auf dem zu einem Einkaufsmarkt gehörenden (Kunden-) Parkplatz jedenfalls während der Öffnungszeiten die StVO, unabhängig davon, ob eine Beschilderung dies ausdrücklich anordnet oder nicht.

Mit Anwendbarkeit der StVO zugleich auch Geltung der Regel „rechts vor links“?

Allein die Tatsache, dass die StVO Anwendung findet, begründet noch nicht die allgemeine Anwendbarkeit der Vorfahrtregel „rechts vor links“ auf Parkplätzen. Denn diese Regelung wurde vornehmlich für das zügige Vorankommen im fließenden Verkehr getroffen – dies indes steht auf Parkplätzen gerade nicht im Vordergrund. In der Rechtsprechung hat sich vor diesem Hintergrund die folgende Tendenz entwickelt:

„Nach vorherrschender Auffassung ist § 8 Abs. 1 StVO auf Parkplätzen grundsätzlich unmittelbar oder jedenfalls analog [entsprechend] anwendbar, wenn die angelegten Fahrspuren (eindeutig) Straßencharakter haben. […] Wann diese Voraussetzung erfüllt ist, wird im Einzelnen unterschiedlich beurteilt und überwiegend vom Vorhandensein typischer baulicher Merkmale einer Straße abhängig gemacht.“

LG Saarbrücken, Urteil v. 21.11.2014 m.w.N.

Folglich ist die Frage, ob „rechts vor links“ gilt, nach den Gegebenheiten der jeweiligen Örtlichkeit zu bestimmen. 

Selbst bei Geltung: Einschränkung der „rechts vor links“-Regelung durch das Gebot der allgemeinen Rücksichtnahme

Im Zweifel empfiehlt es sich, nicht vom Vorrang des Rechtsverkehrs auszugehen. Denn: Selbst wenn die Regel „rechts vor links“ im Einzelfall Geltung beansprucht, hat auch der grundsätzlich Vorfahrtberechtigte erhöhten Sorgfaltspflichten zu entsprechen:

„Besonderheiten des Verkehrs auf Parkplätzen können dazu führen, dass der Berechtigte nicht auf die Beachtung seines Vorrechtes „rechts vor links“ durch andere Verkehrsteilnehmer vertrauen darf. Zwar kann der Vorfahrtberechtigte normalerweise von der Annahme der Beachtung seines Vorrechtes durch einen Wartepflichtigen ausgehen. Dieser für den Verkehr an Kreuzungen und Einmündungen von Straßen entwickelte Vertrauensgrundsatz kann aber wegen der typischen Verhältnisse auf einem Parkplatzgelände, die gekennzeichnet sind von nur schmalen Fahrspuren zwischen den einzelnen Parkreihen und unübersichtlichen ‚Kreuzungen‘ und ‚Einmündungen‘, und wegen sonstiger besonderer Einzelumstände gänzlich in Wegfall geraten.“

OLG Düsseldorf, Urteil v. 29.06.2010

In dem konkreten Fall, der der Entscheidung des Oberlandesgerichtes (OLG) Düsseldorf zugrunde lag, bedeutete dies:

Obgleich der Kläger, der den Unfallgegner und dessen Haftpflichtversicherung auf Schadenersatz in Anspruch nahm, nach der geltenden „rechts vor links“-Regelung vorfahrtberechtigt war und der Unfallgegner diese Vorfahrt missachtete, verblieb ein Teil der Haftung bei ihm. Nach dem Gericht beträgt die Haftungsquote in derartigen Fällen in der Regel 1/3 für den Vorfahrtberechtigten und 2/3 für den Wartepflichtigen. Da der Wartepflichtige im konkreten Fall mit dem Vierfachen der gebotenen Geschwindigkeit fuhr (30 km/h statt 4 bis 7 km/h) wurde sein Verursachungsbeitrag auf 80 % erhöht.  Hierzu das OLG:

„Auf einem Parkplatz gilt das Gebot erhöhter Vorsicht und gegenseitiger Rücksichtnahme (§ 1 StVO). Konkret muss ein Fahrzeugführer angesichts der ständig wechselnden Verkehrssituationen auf einem Parkplatz bei stetiger Bremsbereitschaft mit Schrittgeschwindigkeit fahren. […] Schritttempo bedeutet eine sehr langsame Geschwindigkeit, die der eines normal gehenden Fußgängers entspricht, also in der Größenordnung zwischen 4 bis 7 km/h.“

Das Gebot der Rücksichtnahme kann im Einzelfall einen Verzicht auf die Vorfahrt gebieten.

Der Kläger ist diesem Gebot (1 Abs. 2 StVO) und den mit 11 Abs. 3 StVO (Verzicht auf die Vorfahrt, wenn besondere Verkehrslagen es gebieten) einhergehenden Sorgfaltsanforderungen nicht gerecht geworden.

„Stattdessen hat er einseitig auf die Beachtung seines Vorfahrtrechtes […] vertraut und die Gelegenheit versäumt, durch eine frühzeitige kollisionsabwendende Maßnahme, insbesondere durch eine rechtzeitige Vollbremsung, den Zusammenstoß zu vermeiden.“

Das Gebot der Rücksichtnahme ist auch im umgekehrten Fall zu beachten: 

Wenn auf einem Parkplatz zwar die StVO gilt, aufgrund der Gegebenheiten [Vergleichbarkeit der Bauart mit einer Straße] die Regel „rechts vor links“ indes nicht, ist dennoch stetige Bremsbereitschaft angezeigt. Dem Landgericht (LG) Saarbrücken lag ein Fall vor, in welchem die Klägerin irrig annahm, nach der Regel „rechts vor links“ vorfahrtberechtigt zu sein. Es kam zur Kollision mit einem von links kommenden Fahrzeug. Das LG sah auf beiden Seiten einen Verstoß gegen das Gebot der allgemeinen Rücksichtnahme. So seien auf Parkplätzen die Sorgfaltspflichten gesteigert und der Beklagte hätte mit der nicht fernliegende Möglichkeit rechnen müssen, dass die Klägerin irrig annimmt, vorfahrtberechtigt zu sein. Umgekehrt hätte sich auch die Klägerin zuvor vergewissern müssen, dass sie die „Einmündung“ ohne Gefährdung anderer passieren kann. Das Gericht urteilte:

„Im Rahmen der nach § 17 Abs. 1, 2 StVO vorzunehmenden Abwägung der beiderseitigen Mitverursachungs- und -verschuldensanteile führen die beiderseitigen, annähernd gleich schwer wiegenden Verkehrsverstöße zu einer hälftigen Haftungsteilung.“

Im Ergebnis ist festzuhalten: Selbst wenn im Einzelfall eine Vorfahrtberechtigung aufgrund der „rechts vor links“-Regel gegeben ist, so sollte auf Parkplätzen stets mit besonderer Umsicht gefahren und erforderlichenfalls auf die Vorfahrt verzichtet werden.

 In verkehrsrechtlichen Angelegenheiten steht Ihnen Rechtsanwältin Patricia Helm zur Seite.